Aufsteigende
Tendenz in erstklassigem Turnier
Nach 2014
verbrachten Sebastian und ich erneut eine oktoberliche Woche im niederländischen
Hoogeveen bei den gleichnamigen jährlichen Open. Ein gut organisiertes
Turnier mit sehr guten Spielbedingungen, welches wir leider in den Jahren
nach 2014 wegen anderer Turnieraktivitäten nicht mehr besucht hatten.
Diese Jahr gab es ein Double Feature mit Hoogeveen und anschließend
den Open in Leer.
Dazwischen hatte man mir noch einen Mannschaftskampf gepackt.
In Hoogeveen gab es
das Open ab 2000 Wertungspunkten und dann sog. Amateurturniere. Es wurde
mit einer Runde pro Tag gespielt, man konnte also bequem von Deutschland
aus anreisen und benötigte keine Unterkunft. Das Open hatte allerdings
einen Tag mit einer Doppelrunde, damit man dort auf neun Runden kommen
konnte. Eine Zusatzschicht also für Sebastian. Ansonsten waren die
Anstoßzeiten in Hoogeveen immer um 14 Uhr. Eine für Schachspieler
ganz gute Anfangszeit.
Samstag - Montag
Sebastian reiste am
Freitag bei mir an und wir fuhren dann Samstag Mittag in die beschauliche
Gemeinde Hoogeveen. Gespielt wurde wie immer im örtlichen Rathaus.
Gute Spielbedingungen, im Open nur Livebretter, Kaffee/Tee gratis - was
will man mehr. Als Turnierdirektor fungierte wieder der frühere Spitzen-GM
Loek van Wely. Sebastian hatte zuletzt schachlich viel gemacht und wollte
mit diesem Turnier zumindest mal den Grundstein legen für eine Aufwärtstendenz.
Ich selber musste die Scharte vom Lüneburg-Dampfbad
wieder auswetzen.
Nach einem Auftaktsieg
gegen 1900 traf Sebastian am Sonntag auf den jungen niederländischen
IM Nico Zwirs. Davon laufen in unserem Nachbarland übrigens eine ganze
Menge herum - auch in diesem Turnier. Sebastian zeigte einmal mehr, dass
er hinsichtlich seiner Eröffnungsfähigkeiten auf IM-Niveau spielen
kann. Obwohl sein Gegner alles wusste und ihm eine Engine-Neuerung vorsetzte,
überspielte der Oldenburger ihn und erreichte eine völlige Gewinnstellung.
Doch es gab Probleme bei der Umsetzung:
Müer
- Zwirs
Diese Partie hätte
natürlich gewonnen werden müssen. Ein wenig Frust war da. Aber
immerhin ist man - zumal gegen IM - nicht mit leeren Händen gegangen.
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Sebastian in seiner
Partie gegen Zwirs
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In der Doppelrunde
am Montag ging es zunächst gegen den deutschen IM Seul, der mit Weiß
eine stinksolide Stellung aufbaute. Irgendwann will er natürlich anfangen,
zu schieben. Oder auch nicht. Sebastian opferte schließlich Material
und erhielt dynamisches Spiel, aber in beiderseitiger Zeitnot griff er
leider fehl:
Seul
- Müer
Vielleicht muss man
manchmal eher die Füße stillhalten, anstatt Öl ins Feuer
zu gießen. Aber man will ja auch keine gut aussehenden Möglichkeiten
auslassen. Am Nachmittag des Montags traf Bast auf ein junges Talent mit
gerade einmal 1900 Punkten. Hier hatte Sebastian mit Weiß auch seine
Chancen, kam aber über Remis nicht hinaus. 2,0/4 waren etwas lau,
es war mehr drin bis dato.
Ich war in meinem Turnier
irgendwie knapp außerhalb der Top 10 gesetzt und wollte um die vorderen
Plätze mitspielen. Der Auftakt war auch ok. Was mir in Lüneburg
Runde um Runde einfach nicht gelingen wollte, klappte hier gleich am Anfang:
Sieg gegen einen schwächeren Gegner. Was Spielbedingungen doch für
einen Unterschied machen können!
Runde zwei sah einen
weiteren Punkt, gefolgt von einem Remis am Montag. Hier habe ich zu sehr
forciert gegen 1800 und schrammte knapp am Verlust vorbei, später
hatte ich aber selber nochmal eine Chance auf mehr im Endspiel. 2,5/3 waren
0,5 weniger, als ich erhofft hatte. In der Folge sollte mein Spiel dann
weiter bergab gehen, also an dieser Stelle schnell noch eine der wenigen
guten Ideen, die ich in diesem Turnier hatte, aus der Auftaktrunde:
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Modder - Noel
Weiß am Zug
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Hier stand ich mit
Weiß ganz ok, der letzte Zug, b6, war eher eine Schwächung.
Ich zog hier 21. Da4! Dies drohte, einen Turm auf d7 einzuparken,
woran auch ein Tausch auf d5 nichts ändern würde. Ausserdem drohte
das zweimalige Nehmen auf d8, denn danach hinge der Bauer a7, denn der
Läufer konnte wegen De8# nicht auf d8 schlagen. Schwarz musste hier
wohl einen Bauern verlieren*, was auch geschach nach 21. … h6 22. Td7
Txd7 23. Txd7 b5 24. Dxa7.
Dienstag - Donnerstag
Sebastian musste mit
Schwarz gegen einen jungen 2000er antreten, entledigte sich dieser Aufgabe
aber sehr souverän. Es folgte dann das Duell gegen den bekannten Großmeister
Oleg Romanishin, schon etwas in die Jahre gekommen, aber immer noch ein
gefährlicher Gegner. 2014 verlor Sebastian gegen ihn, hatte diesmal
allerdings im Gegensatz zu damals die weißen Steine.
Sebastian hätte
versuchen können, sicher auf ein Unentschieden hinzusteuern, welchem
der legendäre Altmeister mit Schwarz gegen 2200 oftmals nicht abgeneigt
zu sein scheint; aber der Oldenburger spielte aktiv und wollte den GM-Skalp.
Der Meister blieb jedoch auf Ballhöhe und lenkte auf ein Dauerschach
hin:
Müer
- Romanishin
Es folgte ein weiterer
Großmeister mit Jonkman, welcher allerdings mittlerweile unterhalb
der 2400er Marke rangiert. Sebastian hatte in dieser Partie sogar Chancen
auf mehr als ein Remis, ließ diese allerdings liegen und spielte
später eine fatalen Turmzug, der eine Figur verlor.
Leistung also gezeigt
in dieser Turnierphase, leider gegen Jonkman einen halben Punkt zu wenig
gemacht. Aber Sebastians Spiel war wirklich gut. Ganz im Gegensatz zu mir.
Ich konnte zunächst eine ewig nur leicht schlechtere Stellung am Ende
nicht halten gegen einen Gegner mit knapp 2000 Punkten und ließ dann
gegen 1600 eine +5-Stellung entgleiten. Im Endspiel manövrierte ich
mich dann überambitioniert in eine kritische Lage und konnte gerade
noch so ein Remis retten. Hier der verpasste Gewinn von mir:
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Modder - Niemeijer
Weiß am Zug
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Hier gewann Sxf7. Natürlich
sah ich, dass nach Td-f8 einfach Se5 ausreichte. Aber was war mit Th-f8?
Da schien mir Se5 längst nicht so klar. Aber es ging dann ja einfach
Sxd8 - von d8 aus greift der Springer ja ebenfalls die gegnerische Dame
an.
Gegen den nächsten
1600er unterlief mir bereits in der Eröffnung ein fürchterlicher
Patzer. Der Gegner vertauschte bei dessen Ausnutzung allerdings die Züge,
wonach ich mich noch in eine Zugwiederholung flüchten konnte. Das
war also gar nichts, in dieser Phase des Turniers lief es einfach nicht
mit.
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Während der
Jonkman-Partie
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Freitag - Samstag
Sebastian besiegte
einen Gegner mit knapp 2000 Wertungspunkten. Hier stand er aber zunächst
etwas kritisch, eher ungewöhnlich für dieses Turnier. Danach
spielte Bast aber ein schönes Manöver und bekam entscheidenden
Vorteil. Die Umsetzung war vielleicht nicht optimal, aber gut anzusehen.
Hier die entscheidende Taktik aus dieser Partie:
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Müer - Hoffman
Weiß am Zug
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Weiß spielte
23.
Sg6+! Der Springer war tabu wegen hxg6 Dh3. Nach dem gespielten Kg8
aber war die Qualität weg. Auch sonst war die schwarze Stellung nachteilig.
In der Schlußrunde
gab es noch eine Schwarzpartie gegen IM de Jong. Den konnte Sebastian an
derselben Stelle im Jahre 2014 besiegen in einer Partie,
die damals einen Preis bekam und auch im New in Chess Yearbook veröffentlicht
wurde. Diesmal hatte er erneut keine Probleme mit Schwarz, eher war er
derjenige, der Chancen auf mehr hatte, aber es folgte erneut ein fatales
Turmmanöver:
de
Jong - Müer
Ich besann mich in
den beiden letzten Runden und spielte etwas taktischer als zuvor, mir gelangen
auch zwei volle Punkte gegen Gegner um die 1700. Hier eine Stellung aus
der letzten Runde mit einer Aufgabe:
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Mulder - Modder
Schwarz am Zug
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Hier stand ich gut,
aber es ging darum, wie man auf c8 schlagen sollte. Mein Dxc8 war
nicht korrekt. Quizfrage: In welcher Variante hatte Weiß nun ein…
Dauerschach!? Weiß fand es nicht und ich gewann die Partie später.
Lösung: 22. … Dxc8 23. e4 dxe4 24. fxe4 Sdxe4 25. Sxe4 Sxe4 26. Dxf7+
Kh8 27. Lxh6 gxh6 28. Txe4 Txe4 29. Df6+. Hier zeigt sich, warum die Dame
auf d8 hätte bleiben sollen. Alles klar, oder!?
Fazit
Beide erzielten wir
eine Ratingperformance, die ungefähr unserer Zahl entsprach. Deutlich
mehr drin war bei Sebastian. Er zeigte sich auch verbessert und hatte vor
allem in den Eröffnungen mit Schwarz keinerlei Probleme. Ok, die drei
Nullen waren alle mit Schwarz, aber an den Eröffnungen lag es nicht.
In allen drei Fällen waren es taktische Versehen in komplizierten
Stellungen und Zeitnot, wobei jeweils gegnerische Möglichkeiten nicht
ausreichend gewürdigt wurden.
Mir blieb mit 5,5/8
der 10. Platz mit 0,5 Pkt. Rückstand auf Platz zwei. Der Turniersieg
war eh nicht drin, denn einer ging mit 8,0/8 durch. Kein erfolgreiches
Turnier für mich, aber immerhin folgte für mich dann am Sonntag
doch noch meine 9. Runde - Mannschaftskampf
in der Verbandsliga. Letztlich gab es für mich in Hoogeveen nur einen
besseren Gegner, und diese Partie wurde dann auch noch prompt und unnötigerweise
verloren. Aber vielleicht war es genug Spielpraxis für das gleich
folgende Turnier in Leer!
Hier noch der Link
zur Turnierseite:
Unive
Chess
- frank modder,
07.11.2019
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So sieht's nämlich
aus!
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* Schwarz kann Bauernverlust
vermeiden durch 21. ... a5 22. Td7 b5, stuende aber weiterhin stark unter
Druck nach 23. Dg4. |