- Unive Schachturnier Hoogeveen 2019 -
19.10. - 26.10.
 

Zurück in Hoogeveen
Müer vs. Romanishin II und Müer vs. De Jong II
 
Aufsteigende Tendenz in erstklassigem Turnier

Nach 2014 verbrachten Sebastian und ich erneut eine oktoberliche Woche im niederländischen Hoogeveen bei den gleichnamigen jährlichen Open. Ein gut organisiertes Turnier mit sehr guten Spielbedingungen, welches wir leider in den Jahren nach 2014 wegen anderer Turnieraktivitäten nicht mehr besucht hatten. Diese Jahr gab es ein Double Feature mit Hoogeveen und anschließend den Open in Leer. Dazwischen hatte man mir noch einen Mannschaftskampf gepackt.

In Hoogeveen gab es das Open ab 2000 Wertungspunkten und dann sog. Amateurturniere. Es wurde mit einer Runde pro Tag gespielt, man konnte also bequem von Deutschland aus anreisen und benötigte keine Unterkunft. Das Open hatte allerdings einen Tag mit einer Doppelrunde, damit man dort auf neun Runden kommen konnte. Eine Zusatzschicht also für Sebastian. Ansonsten waren die Anstoßzeiten in Hoogeveen immer um 14 Uhr. Eine für Schachspieler ganz gute Anfangszeit.

Samstag - Montag

Sebastian reiste am Freitag bei mir an und wir fuhren dann Samstag Mittag in die beschauliche Gemeinde Hoogeveen. Gespielt wurde wie immer im örtlichen Rathaus. Gute Spielbedingungen, im Open nur Livebretter, Kaffee/Tee gratis - was will man mehr. Als Turnierdirektor fungierte wieder der frühere Spitzen-GM Loek van Wely. Sebastian hatte zuletzt schachlich viel gemacht und wollte mit diesem Turnier zumindest mal den Grundstein legen für eine Aufwärtstendenz. Ich selber musste die Scharte vom Lüneburg-Dampfbad wieder auswetzen.

Nach einem Auftaktsieg gegen 1900 traf Sebastian am Sonntag auf den jungen niederländischen IM Nico Zwirs. Davon laufen in unserem Nachbarland übrigens eine ganze Menge herum - auch in diesem Turnier. Sebastian zeigte einmal mehr, dass er hinsichtlich seiner Eröffnungsfähigkeiten auf IM-Niveau spielen kann. Obwohl sein Gegner alles wusste und ihm eine Engine-Neuerung vorsetzte, überspielte der Oldenburger ihn und erreichte eine völlige Gewinnstellung. Doch es gab Probleme bei der Umsetzung:

Müer - Zwirs

Diese Partie hätte natürlich gewonnen werden müssen. Ein wenig Frust war da. Aber immerhin ist man - zumal gegen IM - nicht mit leeren Händen gegangen.
 

Sebastian in seiner Partie gegen Zwirs

In der Doppelrunde am Montag ging es zunächst gegen den deutschen IM Seul, der mit Weiß eine stinksolide Stellung aufbaute. Irgendwann will er natürlich anfangen, zu schieben. Oder auch nicht. Sebastian opferte schließlich Material und erhielt dynamisches Spiel, aber in beiderseitiger Zeitnot griff er leider fehl:

Seul - Müer

Vielleicht muss man manchmal eher die Füße stillhalten, anstatt Öl ins Feuer zu gießen. Aber man will ja auch keine gut aussehenden Möglichkeiten auslassen. Am Nachmittag des Montags traf Bast auf ein junges Talent mit gerade einmal 1900 Punkten. Hier hatte Sebastian mit Weiß auch seine Chancen, kam aber über Remis nicht hinaus. 2,0/4 waren etwas lau, es war mehr drin bis dato.

Ich war in meinem Turnier irgendwie knapp außerhalb der Top 10 gesetzt und wollte um die vorderen Plätze mitspielen. Der Auftakt war auch ok. Was mir in Lüneburg Runde um Runde einfach nicht gelingen wollte, klappte hier gleich am Anfang: Sieg gegen einen schwächeren Gegner. Was Spielbedingungen doch für einen Unterschied machen können!

Runde zwei sah einen weiteren Punkt, gefolgt von einem Remis am Montag. Hier habe ich zu sehr forciert gegen 1800 und schrammte knapp am Verlust vorbei, später hatte ich aber selber nochmal eine Chance auf mehr im Endspiel. 2,5/3 waren 0,5 weniger, als ich erhofft hatte. In der Folge sollte mein Spiel dann weiter bergab gehen, also an dieser Stelle schnell noch eine der wenigen guten Ideen, die ich in diesem Turnier hatte, aus der Auftaktrunde:
 

Modder - Noel
Weiß am Zug

Hier stand ich mit Weiß ganz ok, der letzte Zug, b6, war eher eine Schwächung. Ich zog hier 21. Da4! Dies drohte, einen Turm auf d7 einzuparken, woran auch ein Tausch auf d5 nichts ändern würde. Ausserdem drohte das zweimalige Nehmen auf d8, denn danach hinge der Bauer a7, denn der Läufer konnte wegen De8# nicht auf d8 schlagen. Schwarz musste hier wohl einen Bauern verlieren*, was auch geschach nach 21. … h6 22. Td7 Txd7 23. Txd7 b5 24. Dxa7.

Dienstag - Donnerstag

Sebastian musste mit Schwarz gegen einen jungen 2000er antreten, entledigte sich dieser Aufgabe aber sehr souverän. Es folgte dann das Duell gegen den bekannten Großmeister Oleg Romanishin, schon etwas in die Jahre gekommen, aber immer noch ein gefährlicher Gegner. 2014 verlor Sebastian gegen ihn, hatte diesmal allerdings im Gegensatz zu damals die weißen Steine.

Sebastian hätte versuchen können, sicher auf ein Unentschieden hinzusteuern, welchem der legendäre Altmeister mit Schwarz gegen 2200 oftmals nicht abgeneigt zu sein scheint; aber der Oldenburger spielte aktiv und wollte den GM-Skalp. Der Meister blieb jedoch auf Ballhöhe und lenkte auf ein Dauerschach hin:

Müer - Romanishin

Es folgte ein weiterer Großmeister mit Jonkman, welcher allerdings mittlerweile unterhalb der 2400er Marke rangiert. Sebastian hatte in dieser Partie sogar Chancen auf mehr als ein Remis, ließ diese allerdings liegen und spielte später eine fatalen Turmzug, der eine Figur verlor.

Leistung also gezeigt in dieser Turnierphase, leider gegen Jonkman einen halben Punkt zu wenig gemacht. Aber Sebastians Spiel war wirklich gut. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich konnte zunächst eine ewig nur leicht schlechtere Stellung am Ende nicht halten gegen einen Gegner mit knapp 2000 Punkten und ließ dann gegen 1600 eine +5-Stellung entgleiten. Im Endspiel manövrierte ich mich dann überambitioniert in eine kritische Lage und konnte gerade noch so ein Remis retten. Hier der verpasste Gewinn von mir:
 

Modder - Niemeijer
Weiß am Zug

Hier gewann Sxf7. Natürlich sah ich, dass nach Td-f8 einfach Se5 ausreichte. Aber was war mit Th-f8? Da schien mir Se5 längst nicht so klar. Aber es ging dann ja einfach Sxd8 - von d8 aus greift der Springer ja ebenfalls die gegnerische Dame an.

Gegen den nächsten 1600er unterlief mir bereits in der Eröffnung ein fürchterlicher Patzer. Der Gegner vertauschte bei dessen Ausnutzung allerdings die Züge, wonach ich mich noch in eine Zugwiederholung flüchten konnte. Das war also gar nichts, in dieser Phase des Turniers lief es einfach nicht mit.
 

Während der Jonkman-Partie

Freitag - Samstag

Sebastian besiegte einen Gegner mit knapp 2000 Wertungspunkten. Hier stand er aber zunächst etwas kritisch, eher ungewöhnlich für dieses Turnier. Danach spielte Bast aber ein schönes Manöver und bekam entscheidenden Vorteil. Die Umsetzung war vielleicht nicht optimal, aber gut anzusehen. Hier die entscheidende Taktik aus dieser Partie:
 

Müer - Hoffman
Weiß am Zug

Weiß spielte 23. Sg6+! Der Springer war tabu wegen hxg6 Dh3. Nach dem gespielten Kg8 aber war die Qualität weg. Auch sonst war die schwarze Stellung nachteilig.

In der Schlußrunde gab es noch eine Schwarzpartie gegen IM de Jong. Den konnte Sebastian an derselben Stelle im Jahre 2014 besiegen in einer Partie, die damals einen Preis bekam und auch im New in Chess Yearbook veröffentlicht wurde. Diesmal hatte er erneut keine Probleme mit Schwarz, eher war er derjenige, der Chancen auf mehr hatte, aber es folgte erneut ein fatales Turmmanöver:

de Jong - Müer

Ich besann mich in den beiden letzten Runden und spielte etwas taktischer als zuvor, mir gelangen auch zwei volle Punkte gegen Gegner um die 1700. Hier eine Stellung aus der letzten Runde mit einer Aufgabe:
 

Mulder - Modder
Schwarz am Zug

Hier stand ich gut, aber es ging darum, wie man auf c8 schlagen sollte. Mein Dxc8 war nicht korrekt. Quizfrage: In welcher Variante hatte Weiß nun ein… Dauerschach!? Weiß fand es nicht und ich gewann die Partie später. Lösung: 22. … Dxc8 23. e4 dxe4 24. fxe4 Sdxe4 25. Sxe4 Sxe4 26. Dxf7+ Kh8 27. Lxh6 gxh6 28. Txe4 Txe4 29. Df6+. Hier zeigt sich, warum die Dame auf d8 hätte bleiben sollen. Alles klar, oder!?

Fazit

Beide erzielten wir eine Ratingperformance, die ungefähr unserer Zahl entsprach. Deutlich mehr drin war bei Sebastian. Er zeigte sich auch verbessert und hatte vor allem in den Eröffnungen mit Schwarz keinerlei Probleme. Ok, die drei Nullen waren alle mit Schwarz, aber an den Eröffnungen lag es nicht. In allen drei Fällen waren es taktische Versehen in komplizierten Stellungen und Zeitnot, wobei jeweils gegnerische Möglichkeiten nicht ausreichend gewürdigt wurden.

Mir blieb mit 5,5/8 der 10. Platz mit 0,5 Pkt. Rückstand auf Platz zwei. Der Turniersieg war eh nicht drin, denn einer ging mit 8,0/8 durch. Kein erfolgreiches Turnier für mich, aber immerhin folgte für mich dann am Sonntag doch noch meine 9. Runde - Mannschaftskampf in der Verbandsliga. Letztlich gab es für mich in Hoogeveen nur einen besseren Gegner, und diese Partie wurde dann auch noch prompt und unnötigerweise verloren. Aber vielleicht war es genug Spielpraxis für das gleich folgende Turnier in Leer!

Hier noch der Link zur Turnierseite:

Unive Chess

- frank modder, 07.11.2019
 

So sieht's nämlich aus!

* Schwarz kann Bauernverlust vermeiden durch 21. ... a5 22. Td7 b5, stuende aber weiterhin stark unter Druck nach 23. Dg4.